Weizenkorn

 

und Apfelbaum

 

 

Amen, amen, ich sage euch: Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, bringt es reiche Frucht.

 Wer an seinem Leben hängt, verliert es; wer aber sein Leben in dieser Welt gering achtet, wird es bewahren bis ins ewige Leben.

 Wenn einer mir dienen will, folge er mir nach; und wo ich bin, dort wird auch mein Diener sein. Wenn einer mir dient, wird der Vater ihn ehren.

 

Joh 12, 24-26

 

 

Isabel: Hallo Johannes! Schön, dich wiederzusehen!

Johannes: Hallo Isabel, ich hoffe, Du bist gut in den Sommer gestartet.

Isabel: Ach ja, es gab schon ein paar sonnige Tage, auch wenn der Sommer gerade einen kleinen Durchhänger hat. Aber für mich gibt es da im August eine Woche, die mir besonders lieb ist, weil sie mich jedes Jahr aufs Neue sehr berührt. Auf die freue ich mich jetzt schon – trotz Regen.

Johannes: Jetzt bin ich aber gespannt!

Isabel: Es ist die Woche mit den vielen Heiligen: Dominikus, Edith Stein, Laurentius, Klara von Assisi…. Irgendwie berührt mich die Radikalität, mit der diese Heiligen Christus nachgefolgt sind, jedes Jahr neu. Und aus deinem Evangelium gibt es ja auch einen Text in dieser Woche, der eigentlich zu all diesen Heiligen passen würde.

Johannes: Du meinst den Text mit dem Weizenkorn, das in die Erde fällt und stirbt….? Ja, du hast recht, eigentlich passt dieser Text auf alle diese Heiligen. Jeder von den Vieren, die du genannt hast, hat sein Leben auf seine je eigene Art für Christus hingegeben… Auch ich finde es immer wieder spannend, auf wie viele Arten man Christus nachfolgen kann.

Isabel: Manchmal denke ich, dass ich auch gerne etwas Großes für Christus tun würde.

Johannes: Du meinst, Du willst wie Laurentius geröstet bzw. wie Klara in  Armut leben?

Isabel: Na ja, so groß muss meine Tat dann vielleicht doch nicht sein….

Johannes: Ich glaube, ich kenne das Gefühl. Ich wollte auch oft Großes für Jesus tun und wenn es nicht funktioniert hat, dann hätte ich manchmal am liebsten Feuer auf die Erde regnen lassen.

Isabel: Ja, aber euer Alltag war doch irgendwie spannend. Ihr standet an vorderster Front und wart jeden Tag mit Jesus zusammen! Mir kommt der Alltag oft so öde und völlig unspektakulär vor, fast würde ich sagen gottlos.

Johannes: Was glaubst du denn wie unser Alltag aussah bzw. der von Laurentius und Klara?

Isabel: Mmh, habe ich noch nie drüber nachgedacht, aber irgendwie stelle ich mir den Alltag eines Heiligen spannender vor, vielleicht spektakulärer….

Johannes: … mit regelmäßigen Visionen und Botschaften von Gott?

Isabel: Ja, vielleicht. So ein normaler Alltag scheint mir irgendwie zu unaufgeregt zum Heilig werden. Da ist so wenig Platz für große Taten.

Johannes: Was heißt denn für dich groß? Martyrium? Alles verlassen und in der Wüste leben? Ich bin froh, dass das nicht jeder macht, denn dann würden uns die Heiligen des Alltags fehlen. Im Übrigen glaube ich, dass der Alltag der Heiligen oft viel unspektakulärer war als wir das vielleicht denken.

Isabel: Heilige des Alltags?

 Johannes: Ja, es gibt nicht nur die Heiligen, die ganz anders waren und aus ihrem Alltag ausgebrochen sind, sondern auch die, die ihren Alltag als Ort begriffen haben, um heilig zu werden. Schau Dir z.B. Madeleine Delbrêl an.

Isabel: Mmh, stimmt. Die war wirklich mittendrin im ganz normalen Alltag.

Johannes: Ja, und ich glaube nicht, dass es ihr langweilig war in ihrem Leben, weil sie doch überall Gottes Spuren gesehen hat. Ich frage mich immer, worum es mir geht, wenn ich etwas Großes will – um Gott oder um mich?

Isabel: Das ist eine gute Frage. Ich habe da auch vor kurzem etwas gelesen, das mich sehr nachdenklich gemacht hat. „Es gibt jenen selbstbetrügerischen Hochmut, dem es immer um das Große geht: Wenn nicht alles gut ist, ist es nicht gut […]. Darin liegt eine Form der Drückebergerei. So eine Art von großem Denken ist nicht radikal genug. Denn die großen Veränderungen nimmt man sich meist nur vor; die kleinen finden tatsächlich statt.”[1]

Johannes: Das ist ein sehr schönes Zitat und trifft tatsächlich ein bisschen was von dem, was ich mir gerade auch gedacht habe.

Isabel: Es ist so ein bisschen wie das Phänomen, dass man immer meint, auf der anderen Seite des Zaunes sei das Gras grüner, oder?

Johannes: Ja, so kann man es auch formulieren. Gott stellt mich in ein bestimmtes Leben hinein und es ist die große Frage, ob ich es so annehmen kann. Schaffe ich es, dieses Leben so wie es ist zu heiligen oder schiele ich immer auf die Leben anderer, die vermeintlich viel spektakulärer, spannender, größer sind und drücke mich damit vor meinem eigenen Leben?

Isabel: Mmh, wenn das Weizenkorn in die Erde fällt und erst dann wächst, wenn es ein Apfelbaum werden kann, wird vermutlich nicht viel passieren.

Johannes: Das ist ein schönes Bild. Damit hast du dann zwar auch dein Leben verloren, aber das kann wohl kaum das sein, was Jesus gemeint hat.

Isabel: Vielleicht kann es ja auch darum gehen, dass ich mein imaginäres Wunschleben, das ich nie werde leben können, aufgebe und mich stattdessen meinem tatsächlich Leben zuwende?

Johannes: Ja, ich glaube, dass das letztlich das Geheimnis der Heiligen ist. Sie haben in ihrem Leben nach Gott gesucht und sind ihm darin nachgefolgt. Sie waren ganz in der Gegenwart und konnten so auf Gottes Wort hören. Natürlich können und dürfen uns die Heiligen ein Vorbild sein…

Isabel: …aber die schlechte Kopie eines Heiligen zu sein, ist vielleicht auch ein bisschen wenig.

Johannes: Ja, das denke ich auch und ich weiß auch nicht, ob es für Gott eine große Hilfe wäre, wenn Du im Kinderdorf - oder andere CI-Leser an ihrem jeweiligen Lebensort - plötzlich zu Klara von Assisi oder Laurentius werden würden.

Isabel: Da würden „meine“ Kinder ganz schön schauen, aber vermutlich hast Du Recht. Vielleicht heißt Liebe zu Gott auch, den unspektakulären Alltag zu ertragen und Gott darin einen Platz zu geben.

Johannes: Das hört sich doch nach einer schönen Aufgabe für die Sommerferien an… Ich bin gespannt, was Du beim nächsten Mal zu berichten hast.

Isabel: Ich auch!! Danke für deine vielen schönen Gedanken!

 


[1]      M. Schleske: Herztöne. Asslar 2016, 28.

 

 

„ChristImpulse“

 

für den Alltag

        

 

-Herzensgebet:

  Herr, lass mich Dich in meinem Alltag finden.

- zwischendurch immer wieder einmal:

Glaube ich gerade, dass das Gras auf der anderen Seite des Zaunes grüner ist?

-Tagesrückblick:

 In welchen Situationen konnte ich heute ganz Ich sein?

 

 

 

Mein Gott, mein Erlöser,

bleibe bei mir.

Fern von dir

müsste ich welken und verdorren.

Zeigst du dich mir wieder,

blühe ich auf in neuem Leben.

 

Du bist das Licht

das nie erlöscht,

die Flamme,

die immer lodert.

 

Vom Glanze deines Lichtes beschienen,

werde ich selber Licht,

um anderen zu leuchten.

 

Ich bin nur wie Glas,

durch das du den anderen scheinst.

Lass mich zu deinem Ruhm

deine Wahrheit und deinen Willen verkünden –

nicht durch viele Worte,

sondern durch die stille Kraft

der tätigen Liebe – wie deine Heiligen – durch meines Herzens

aufrichtige Liebe zu dir.

 

 

 

John  Henry Newman