Erleuchtet

 

In jener Zeit sah Jesus einen Mann, der seit seiner Geburt blind war.

 Jesus spuckte auf die Erde; dann machte er mit dem Speichel einen Teig, strich ihn dem Blinden auf die Augen und sagte zu ihm: Geh und wasch dich in dem Teich Schiloach! Schiloach heißt übersetzt: Der Gesandte. Der Mann ging fort und wusch sich. Und als er zurückkam, konnte er sehen.

Die Nachbarn und andere, die ihn früher als Bettler gesehen hatten, sagten: Ist das nicht der Mann, der dasaß und bettelte?

Einige sagten: Er ist es. Andere meinten: Nein, er sieht ihm nur ähnlich. Er selbst aber sagte: Ich bin es.

Da brachten sie den Mann, der blind gewesen war, zu den Pharisäern.

Es war aber Sabbat an dem Tag, als Jesus den Teig gemacht und ihm die Augen geöffnet hatte.

Auch die Pharisäer fragten ihn, wie er sehend geworden sei. Der Mann antwortete ihnen: Er legte mir einen Teig auf die Augen; dann wusch ich mich, und jetzt kann ich sehen.

Einige der Pharisäer meinten: Dieser Mensch kann nicht von Gott sein, weil er den Sabbat nicht hält. Andere aber sagten: Wie kann ein Sünder solche Zeichen tun? So entstand eine Spaltung unter ihnen.

Da fragten sie den Blinden noch einmal: Was sagst du selbst über ihn? Er hat doch deine Augen geöffnet. Der Mann antwortete: Er ist ein Prophet.

Sie entgegneten ihm: Du bist ganz und gar in Sünden geboren, und du willst uns belehren? Und sie stießen ihn hinaus.

Jesus hörte, dass sie ihn hinausgestoßen hatten, und als er ihn traf, sagte er zu ihm: Glaubst du an den Menschensohn?

Der Mann antwortete: Wer ist das, Herr? Sag es mir, damit ich an ihn glaube.

Jesus sagte zu ihm: Du siehst ihn vor dir; er, der mit dir redet, ist es.

ER aber sagte: Ich glaube, Herr! Und er warf sich vor ihm nieder.

 aus Johannes 9

 

 

 

Sr. Gratia: Hallo, Johannes!

Johannes:  Grüß dich, Sr. Gratia!  Bin schon gespannt, was du heute mit mir vorhast! 

Sr. Gratia: Oh, ich habe vor, mit dir über eine sehr spannende Stelle deines Evangeliums zu reden. Isabel und du, ihr habt ja schon darüber gesprochen, dass uns die Kirche einlädt, in der Österlichen Bußzeit uns auf die Tauf-erneuerung in der Osternacht vorzubereiten.

Johannes:  Genau. Das ist ein Aspekt der Fastenzeit, der noch nicht so sehr ins Bewusstsein der Menschen gedrungen zu sein scheint. 

Sr. Gratia: Tja, den Eindruck habe ich auch, und darum ist es mir eine  große Freude, dass wir jetzt, im Lesejahr A, sozusagen mit der Nase darauf gestoßen werden. Nach dem Evangelium mit der Frau am Jakobsbrunnen hören wir das Evangelium von der Heilung des Blindgeborenen und dann die Auferweckung des Lazarus.

Johannes: Du denkst natürlich daran, dass die alte Kirche ihre Taufbewerber, die Katechumenen, gerade mit diesen drei Evangelien zur Taufe hingeführt hat.

Sr. Gratia: Du sagst es. Da steckt sozusagen ein „Lehrplan“ dahinter.

Mit der Samariterin spricht Jesus über das Gebet – wir sollen im Geist und in der Wahrheit anbeten. Mit der Heilung des Blind-geborenen sagt er uns, dass er das Licht ist und uns die Augen öffnen will für das wahre Licht, das mit ihm in die Welt gekommen ist. Und bei der Auferweckung des Lazarus erfahren wir, dass er selbst „die Auferstehung und das Leben“ ist.

Johannes: Und damit sind drei wichtige Aspekte angesprochen, die Menschen, die Christen werden wollen, einfach wissen müssen, zu denen wir sie hinführen sollen.

Sr. Gratia: Nun ist es ja so, dass es auch in unserer Zeit wieder vermehrt Katechumenen gibt, Menschen, die erst als Jugendliche oder Erwachsene die Taufe erbitten. Für sie wird wohl all das gelten, was auch für die Menschen in den ersten Jahrhunderten der Kirche galt: Sie wissen noch nichts oder wenig von Jesus Christus und lernen alles neu.

Aber was können wir, die wir schon lange den christlichen Weg gehen (oder es zumindest versuchen), von dieser Tau-fkatechese lernen - und was hat es mit der Bedeutung der Tauferneuerung auf sich???

Johannes: Fangen wir doch mit der zweiten Frage an: Die Bedeutung der Tauferneuerung. Sie steht in der Feier der Osternacht an zentraler Stelle. Was meinst du, warum gerade in der Osternacht?

Sr. Gratia: Das ist eine gute Frage, denn in erster Linie feiern wir da doch die Auferstehung unseres Herrn, und in den Tagen davor gedenken wir seines Leidens und Sterbens. Da kann sich schon die Frage stellen, was das mit meiner Taufe zu tun hat. Aber wenn ich tiefer schürfe…

Johannes: …dann kommt eine  Ahnung?

Sr. Gratia: Vielleicht geht es um die Frage: Will ich zu diesem Jesus gehören, der da so schändlich am Kreuz gestorben ist? Will ich meine Zugehörigkeit zu ihm vertiefen, erneuern – auch durch ein neuerliches Bekenntnis zu ihm?

Johannes: Das ist mal die erste Frage, der sich jeder Christ stellen muss.

Sr. Gratia: Und dann macht es auch Sinn, die Tauferneuerung – wie ja auch die Taufe selbst – in die Osternacht zu legen, denn da feiern wir das Zentrum unseres Glaubens. Wenn ich Ja sagen kann zu Leiden, Sterben und Auferstehen Jesu – wenn ich es für mich in Anspruch nehmen kann und den Weg mitgehen will, wie ihn Jesus gegangen ist, dann gibt es keinen besseren Zeitpunkt, mich dazu zu bekennen, als eben die Osternacht.

Johannes: Damit sind wir ja auch schon bei der ersten Frage: Was es für schon getaufte Christen bedeuten kann, in der Osternacht die Taufe zu „erneuern“?

Sr. Gratia: Ich denke, es geht darum, den Bund mit Gott zu erneuern, zu vertiefen, mich neu dazu zu bekennen und ihn neu in Anspruch zu nehmen. Es tut uns Menschen einfach gut, uns immer wiedermal daran zu erinnern, was wir versprochen haben. Das tun ja auch die Eheleute und wir Ordensleute immer wieder mal: Das Eheversprechen oder die Ordensprofess zu erneuern. Das kann schon helfen, sich die eigene Berufung wieder neu vor Augen zu führen und wieder neu anzufangen, wenn es Krisen gegeben hat.

Johannes: So ist es.

Sr. Gratia:  Jetzt mag ich dich aber noch bitten, ein paar Gedanken zur Geschichte des Blindgeborenen zu sagen. Das ist ja schon auch eine besondere Sache…

Johannes: Tja, in dieser Geschichte wird auch mal wieder deutlich, wie viel wir Jünger noch lernen mussten. Da steht ja am Anfang unsere Frage, wer denn schuld sei an der Blindheit dieses Mannes. Leiden, Krankheit wurde zu meiner Zeit als Folge von Schuld und Sünde angesehen. Also musste irgendjemand gesündigt haben, der Betroffene selbst oder seine Eltern…

Sr. Gratia: Die Schuldfrage stellen wir uns wohl heute auch noch, nur mit einem anderen Blickwinkel: Wenn jemand schuld ist an meinem Leid, dann bin ich das Opfer – und der andere muss was tun, damit es mir wieder gut geht...

Johannes: Und das meint tatsächlich etwas völlig anderes. Jesus hat uns damals darauf hingewiesen, dass niemand an der Blindheit des Mannes Schuld ist, sondern dass an ihm das Wirken Gottes offenbar werden soll.

Sr. Gratia: Das ist nochmal ein interessanter Aspekt… Es tut aber schon mal gut, zu hören, dass Jesus nicht in dieses Muster der Schuldzuweisung einsteigt.

Johannes: Im Grunde genommen ist es schon eine besondere Geschichte: Da wird einer, der blind war, sehend – und Menschen, die sehen können, scheinen blind zu sein…

Sr. Gratia: Du meinst die Pharisäer?

Johannes: Genau. Als der Geheilte zu ihnen kommt, kann er einfach nicht verstehen, dass sie nicht erkennen können, wer Jesus ist! Einer, der ihm seinen angeborene Blindheit wegge-nommen hat – wie kann der, wie die Pharisäer unterstellen, ein Sünder sein? Sie meinen dies natürlich, weil er  wieder einmal einem Menschen am Sabbat geholfen hat – und das ist gegen das Gesetz.

 Sr. Gratia: Sie können  nicht einsehen, warum die Liebe über dem Gesetz stehen sollte…

Johannes: Der Geheilte dagegen hat eine Erfahrung mit Jesus gemacht, die ihn wirklich sehend, innerlich sehend macht: Er hat erkannt, dass nur einer solche Werke tun kann, der ganz mit Gott verbunden ist, und dafür nimmt er sogar in Kauf, hinausgestoßen zu werden, aus der Gemeinschaft der Juden ausgestoßen zu werden.

Sr. Gratia: Das ist ja schon stark!

Aber du hast da jetzt wieder ein paar Dinge angesprochen, die mir verständlich machen, warum dieses Evangelium uns auf dem Weg zur Taufe oder zur Tauferneuerung Hilfe sein kann.

Da geht es einerseits um das Erkennen – dass mir sozusagen ein Licht aufgeht, wer Jesus ist. Dazu braucht es aber auch die Erfahrung. Menschen, die sich taufen lassen, haben auf irgendeine Weise erfahren, dass Jesus Christus der ist, dem sie ihr Leben anvertrauen können, der sie zum Licht und zum Leben führen wird, der den Schmutz von ihren Augen abwaschen wird (wie das ja auch in der Taufe geschieht), damit sie neu sehen können, „Erleuchtete“ werden…

Johannes:  Und ihr Getauften könntet euch fragen, welche Erfahrungen ihr schon mit Jesus gemacht habt, wo er euch zum Licht geworden ist, wo ihr durch ihn ein Stück tiefer ins Erkennen seiner Liebe und auch ins Erkennen eures eigenen Wesens geführt wurdet.

Sr. Gratia: Oh, das ist jetzt eine gute Anregung gerade für die Vorbereitung auf die Tauferneuerung!

Johannes: Und: Der Geheilte hat sich klar zum Glauben an Jesus bekannt. Das tut ihr ebenso in der Tauferneuerung – und das kann jeden Tag geschehen…

Sr. Gratia: …in der „kleinen Form“ der Tauferneuerung z.B., wenn ich das Weihwasser nehme und mich im Namen des dreifaltigen Gottes mit dem Kreuz bezeichne.

Johannes: Und dazu lade ich dich und alle Leserinnen und Leser herzlich ein.

 

 

 

 

„ChristImpulse“

 

für das Erleuchtet-sein

 

im Alltag

 

-Herzensgebet:

            Jesus, sei du mein Licht!                

 

-zwischendurch immer wieder einmal:

Bewusst Weihwasser nehmen und das Kreuzzeichen als Erinnerung an meine Taufe machen

 

- Nachforschen:

Wann ist mein Tauftag? Wie mag ich ihn begehen?

 

-Tagesrückblick:

Wo/Wie habe ich heute Jesus erfahren, bin ich ihm begegnet?

Wie hat das meinen Tag geprägt?

 

 

 

 

 

Getauft im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes;
Getauft zur Liebe;
Getauft zum Leben;
Getauft zum Loben, zum Jubel, zur Freude – am Herrn.

 Getauft und gerufen – beim Namen gerufen:
Du bist einzigartig,
Mensch,
Gott liebt dich!

 Ein bisschen Wasser
verändert
schenkt Leben
schenkt Freude
unfassbar erfahrbar.

Getauft und gerufen – beim Namen gerufen,
einzigartig
in Deinen Augen.

 

Gott, Du liebst mich. 

 

Kerstin Rehberg-Schroth