In jener Zeit sah Johannes der Täufer Jesus auf sich zukommen und sagte: Seht, das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinweg nimmt. Er ist es, von dem ich gesagt habe: Nach mir kommt ein Mann, der mir voraus ist, weil er vor mir war.Auch ich kannte ihn nicht; aber ich bin gekommen und taufe mit Wasser, um Israel mit ihm bekannt zu machen. Und Johannes bezeugte: Ich sah, dass der Geist vom Himmel herabkam wie eine Taube und auf ihm blieb. Auch ich kannte ihn nicht; aber er, der mich gesandt hat, mit Wasser zu taufen, er hat mir gesagt: Auf wen du den Geist herabkommen siehst und auf wem er bleibt, der ist es, der mit dem Heiligen Geist tauft. Das habe ich gesehen und ich bezeuge: Er ist der Sohn Gottes.

 Joh 1, 29-34

Sr. Gratia: Grüß dich, Johannes!

Johannes:  Hallo, Sr. Gratia! Ich freu mich auf unser erstes Gespräch!

Sr. Gratia: Die Freude  ist ganz meinerseits! Und ich freue mich, dass du uns in diesem Monat, am 2. Sonntag im Jahreskreis, mit einem Abschnitt aus deinem Evangelium beschenkst, obwohl wir im „Matthäus-Jahr“ stehen. Ein kurzer Abschnitt nur, aber sehr aussagekräftig…

Johannes: Und ich erinnere mich an dieses Erlebnis, als wäre es gerade eben gewesen!

Sr. Gratia: Tja, wenn du das sagst aus deiner himmlischen Ewigkeitserfahrung… Aber ich kenne das schon auch: Es gibt Ereignisse, dies sich so stark einprägen, dass man sie jederzeit wieder abrufen, sozusagen „gegenwärtig setzen“ kann.

Johannes: Das sind dann oft besondere Gnadenstunden, an die wir uns so erinnern.

 

Sr. Gratia: Du hast ja zu den Jüngern des Täufers gehört, warst sicher oft bei ihm draußen?

 Johannes:  Es war eine spannende Bewegung. Als Johannes auftrat, waren viele beeindruckt und fasziniert. Dass er vom Kommen des  Messias gesprochen hat, hat uns natürlich nicht kalt gelassen. Und so war ich mit meinen Freunden immer wieder bei ihm, um ihn  zu hören und natürlich, seine Taufe zu empfangen.

 Sr. Gratia: Und dann eines Tages der Ausruf, der Hinweis: „Seht, das Lamm Gottes“ (der uns ja aus der Messliturgie sehr vertraut ist)… was ist da in dir vorgegangen?

Johannes: Im Moment war es wohl vor allem Überraschung, dann Freude: „Jetzt!“ „Endlich!“ Dann Neugier: Wer, wie ist er denn??? Erst später bin ich zum Nachdenken gekommen, über all das, was Johannes da schon über Jesus ausgesagt hat.

Sr. Gratia: Genau genommen heißt es ja: „Am Tag darauf“. Also am Tag, nachdem Johannes über Jesus gesprochen hatte, kam dieser Jesus.

Johannes: Ja, und wieder „Am Tag darauf“ kam Jesus wieder, hat Johannes wieder auf ihn hingewiesen – und wir sind ihm nachgegangen….. Unvergesslich.

Sr. Gratia: Da hat eure Geschichte, euer Weg mit Jesus begonnen… Aber bleiben wir nochmal bei unserem „Tag“. Es ist ja auch das erste Mal, dass Jesus selber in deinem Evangelium ins Blickfeld rückt. Bei deinen Kollegen Matthäus und Lukas erleben wir Jesus schon als Baby, bei Markus geht es direkt mit seiner Taufe los, und bei dir liegt sogar die Taufe schon hinter Jesus, wenn ich den Text richtig verstehe.

Johannes: Ja, darum habe ich wohl hier angesetzt: Es war unsere erste persönliche Begegnung mit ihm.

Sr. Gratia: Und später, als dir, wie du sagtest, bewusst wurde, was der Täufer da so über Jesus aussagte?

Johannes: Das „Lamm Gottes“ hat mich natürlich an das Paschalamm erinnert. Das konnte schon auch erschrecken. Aber es hatte noch einen anderen Aspekt. Der Prophet Jesaja spricht ja immer wieder vom „Knecht Gottes“ – eine Gestalt, die eine besondere Berufung und besondere Gaben von Gott bekommen sollte.

So heißt es z.B.:

„Der Herr sagte zu mir: Du bist mein Knecht, Israel, an dem ich meine Herrlichkeit zeigen will….

Es ist zu wenig, dass du mein Knecht bist, nur um die Stämme Jakobs wieder aufzurichten und die Verschonten Israels heimzuführen. Ich mache dich zum Licht für die Völker, damit mein Heil bis an das Ende der Erde reicht.“[1]

Sr. Gratia: Hm, habt ihr darüber dann auch mit Jesus gesprochen?

Johannes: Er hat uns vieles erklärt und verständlich gemacht - einfach auch schon durch sein Leben. Die besonderen Gaben und Aufgaben, die er hatte, waren ja bald für alle sichtbar…

Sr. Gratia: Das macht mich grad nachdenklich: „Einfach schon durch sein Leben…“ Das wäre auch so eine Aufgabe für uns heute: „Einfach“ durch unser Leben zeigen, für wen wir da sind, für wen wir gehen…

Johannes: Das ist auf jeden Fall eine Form der Nachfolge Jesu, die ich  nur weiterempfehlen kann!

Sr. Gratia: Aber der Täufer hat dann ja noch einiges über Jesus gesagt!

Johannes: Ja, lauter so eigenartige Dinge: Er kommt nach mir, ist mir aber voraus, weil er vor mir war.

Sr. Gratia: Das klang ja auch im schon erwähnten Prolog deines Evangeliums an. Johannes hat verstanden, dass dieser Jesus vor aller Zeit war, dass er das Wort ist, das bei Gott und Gott war. Da klingt jedenfalls schon an, dass dieser Mann, der da auf ihn zukommt, etwas ganz Besonderes ist.

Johannes: Spannend dann auch das Wort über die Taufe. Er, Johannes, hat mit Wasser getauft. Wasser, das reinigen sollte von der Schuld. Aber Jesus, so kündigte er an, würde mit dem Geist taufen. Das kann nur einer, der den Geist auch hat.

Sr. Gratia: Ist da schon eine Andeutung auf die Dreifaltigkeit drin? Der Geist, der Sohn, Gott?

Johannes: Gut beobachtet. Mag sein, dass die Theologen da kritischer sind, aber ich würde sagen, du darfst das schon in diese Richtung deuten.          

Sr. Gratia: Denn Johannes hat das ja schon gesehen, er hat Jesus ja schon mit Wasser getauft und hat den Geist auf ihm bleiben sehen. Schon auch gewaltig, was dieser Mann leben und erleben durfte. Und dann hat er euch, seine Jünger, von sich weg zu Jesus geschickt…

Johannes: Ja, er war ein ganz Großer, einer, der nicht groß sein, sondern klein werden wollte.

Sr. Gratia: Und gerade er durfte Jesus als erster erkennen in seinem ganzen Wesen…

Aber ich mag dich nochmals zu dem „Lamm Gottes“ fragen. Das Lamm ist doch ein ganz junges Schaf, steht symbolisch für Sanftmut, Unschuld und Reinheit. Muss ich mir einen lamm-frommen Jesus vorstellen???

Johannes (lacht): Nein, das musst du nicht! Sanftmut, Reinheit und Unschuld, passen sehr gut zu ihm, aber lammfromm – nein! Da stellst du dir doch ein widerspruchsloses, duldendes Wesen vor, stimmst?

Sr. Gratia: Ja, schon.

Johannes: Und wir Evangelisten haben uns alle nicht gescheut, Jesus auch anders darzustellen, weil wir ihn so erlebt haben. Aber vielleicht ist das ja auch recht menschlich, sich immer nur eine Seite – schwarz oder weiß – ausmalen zu können.

Jesus war sanftmütig[3], unschuldig war er auch in seinem Sterben, und als der Sohn Gottes der ganz Reine – aber das sind  Eigenschaften, die bei Jesus nichts Weichliches, Schwächliches an sich hatten.  Er war sehr klar, sehr stark, und genau deswegen konnte er auch sanft sein.

Sr. Gratia: Da bin ich jetzt erleichtert und nachdenklich zugleich. Über diese Art von Sanftheit muss ich wohl noch ein wenig meditieren. Vielleicht auch gerade in der Messe, wenn wir das Lamm Gottes besingen…

Johannes: Tu das nur, und ER selber wird dir zeigen, was du dazu verstehen und wissen musst, damit du es in deinem Leben umsetzen kannst.

Sr. Gratia: Ich bin gespannt! Und ich danke dir für dieses Gespräch!

 


[1] Jes 49, 3.5-6

[3]              Vgl. Mt 11, 29

 

„ChristImpulse“

 

für das Leben mit dem Lamm Gottes

 

im Alltag

 

-Herzensgebet:

Lamm Gottes, erbarme dich.

               

-zwischendurch immer wieder einmal:

 Nachspüren, wie der Geist mich heute treibt, mit Jesus zu leben.

 

-Tagesrückblick:

Konnte ich heute „einfach“ durch  mein Leben zeigen, zu wem ich gehören will?

Wen habe ich heute als „sanft und stark“ erlebt?

 

 

 

Seht das Lamm Gottes!

Gottes Liebe zu uns –
so unfassbar groß
und unendlich barmherzig!

Schaut und erkennt!

Seine unerschöpfliche Liebe –
schier überfließend verschwenderisch
und zu jedem Opfer bereit!

Glaubt und vertraut!

Seine maßlose Liebe –
verrückt und leidenschaftlich

sanft und stark
uns bis zum Äußersten zugeneigt!

Staunt und dankt!

                                                                  Seht das Lamm Gottes –
                                                                  Herzensgabe des Vaters
                                                                  und Herzstück unseres Glaubens!

 

                                                           

Geht  und sagt’s weiter!

 

nach Hannelore Bares