Gereinigt

 

Fruchtbar

 

bleiben

 

Ich bin der wahre Weinstock und mein Vater ist der Winzer. Jede Rebe an mir, die keine Frucht bringt, schneidet er ab und jede Rebe, die Frucht bringt, reinigt er, damit sie mehr Frucht bringt. Ihr seid schon rein durch das Wort, das ich zu euch gesagt habe. Bleibt in mir, dann bleibe ich in euch. Wie die Rebe aus sich keine Frucht bringen kann, sondern nur, wenn sie am Weinstock bleibt, so könnt auch ihr keine Frucht bringen, wenn ihr nicht in mir bleibt. Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und in wem ich bleibe, der bringt reiche Frucht; denn getrennt von mir könnt ihr nichts vollbringen. Wer nicht in mir bleibt, wird wie die Rebe weggeworfen und er verdorrt. Man sammelt die Reben, wirft sie ins Feuer und sie verbrennen. Wenn ihr in mir bleibt und wenn meine Worte in euch bleiben, dann bittet um alles, was ihr wollt: Ihr werdet es erhalten. Mein Vater wird dadurch verherrlicht, dass ihr reiche Frucht bringt und meine Jünger werdet. Wie mich der Vater geliebt hat, so habe auch ich euch geliebt. Bleibt in meiner Liebe! Wenn ihr meine Gebote haltet, werdet ihr in meiner Liebe bleiben, so wie ich die Gebote meines Vaters gehalten habe und in seiner Liebe bleibe. Dies habe ich euch gesagt, damit meine Freude in euch ist und damit eure Freude vollkommen wird. Das ist mein Gebot: Liebt einander, so wie ich euch geliebt habe. Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt. Ihr seid meine Freunde, wenn ihr tut, was ich euch auftrage. Ich nenne euch nicht mehr Knechte; denn der Knecht weiß nicht, was sein Herr tut. Vielmehr habe ich euch Freunde genannt; denn ich habe euch alles mitgeteilt, was ich von meinem Vater gehört habe. Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt und dazu bestimmt, dass ihr euch aufmacht und Frucht bringt und dass eure Frucht bleibt. Dann wird euch der Vater alles geben, um was ihr ihn in meinem Namen bittet. Dies trage ich euch auf: Liebt einander!

 

Joh 15,1-17

 

Sr. Gratia: Grüß dich, Johannes!

 

Johannes: Grüß dich, Sr. Gratia! Hast du den Sommer gut verbracht?

 

Sr. Gratia: In einer gute Mischung von Hitze und Gegenphasen – die war leider genau in meinem Urlaub. Aber es war dennoch eine gute Zeit.

 

Ich habe gelesen, dass die Hitze des Sommers heuer auch dazu führt, dass die Weinlese schon recht früh beginnt, dass sie aber wegen des Regens recht gut ausfallen dürfte. Also passt es doch wieder.

 

Johannes: Wie kommst du denn jetzt auf die Weinlese?

 

Sr. Gratia (lacht): Damit habe ich ja nun nicht so viel zu tun, aber ich bin halt schon ganz im Thema. Ich möchte mit dir über die Bildrede vom Weinstock sprechen.

 

Johannes: Oh, darüber unterhalte ich mich sehr gern mit dir!

 

Sr. Gratia: Der Abschnitt beginnt ja schon mit einem Paukenschlag: Jesus setzt zu seiner Rede an mit dem Wort „Ich bin“.

 

Du hast uns in deinem Evangelium mindestens sieben solcher „Ich bin - Worte“ überliefert. Das ist ja kein Zufall!

 

Johannes: Ganz und gar nicht. Diese Worte erinnern an die Gottesoffenbarung, die Mose aus dem brennenden Dornbusch empfangen hat.[1]

 

Dort hat Gott auf die mutige Frage des Mose hin Seinen Namen geoffenbart: „Ich bin, der ich bin. Ich bin der ‚Ich bin da‘.

 

Sr. Gratia: Ich gehe mal davon aus, dass die Menschen, die Jesu Reden gehört haben – das waren ja alles Juden, mehr oder weniger gebildet, aber doch vertraut mit ihrer Hl. Schrift – sofort an diese Stelle bei Mose gedacht haben, wenn Jesus so spricht?

 

Johannes: Da liegst du durchaus richtig. Und du kannst dir vorstellen, was das ausgelöst hat: Bei den einen Erstaunen, Verwunderung, bei den Nächsten die Erkenntnis: Der da spricht, ist Gottes Sohn – und bei wieder anderen tiefe Empörung: Er macht sich Gott gleich…

 

Sr. Gratia: Da ist Jesus also ganz schön mutig! Aber das ist er ja immer – er steht einfach zu dem, was und wer er ist. Ich merke gerade, dass schon allein dieses kurze Wort „ich bin“ Stoff für eine eigene Meditation in Fülle gäbe…

 

Johannes: Immer wieder darüber nachdenken, wer ich im tiefsten bin, vor Gott, vor mir selber, vor den Mitmenschen…

 

Durchaus empfehlenswert!

 

Sr. Gratia: Das ist ja schon eine erste wertvolle Anregung! Aber lass uns dennoch weitergehen, denn ich mag das Bild vom Weinstock und den Reben schon sehr gern!

 

Johannes: Was daran spricht dich so an?

 

Sr. Gratia: Ich glaube, es strahlt etwas aus, das für mich etwas Besonderes ist. Da ich nicht in einer Weingegend aufgewachsen bin, hat es lange gedauert, bis ich erstmals einen Weinstock bewusst in natura gesehen habe. Aber das, was Jesus hier sagt über die Verbundenheit der Reben mit dem Weinstock, hat mir auch so eingeleuchtet.

 

Johannes: Die Rebe kann nur leben, wenn sie am Weinstock ist. Jesus spricht hier ja auch davon, dass Reben, die abgeschnitten werden, verdorren, - das ist erst mal ein ganz natürlicher Prozess.

 

 

Sr. Gratia: Und auch, dass Reben abgeschnitten werden müssen, ist natürlich. Dort, wo keine Frucht mehr zu erwarten ist, ist es besser, die Triebe abzuschneiden, damit die Kraft in die übrigen Reben fließen kann.

 

So nebenbei bemerkt: Jesus spricht vom Frucht bringen – und nicht von Leistung!

 

Johannes: Ganz klar. Schlicht, weil das ein jeder kann – vom Kind bin hin zum Menschen mit Behinderung… Ihm geht es wahrlich nicht um Leistung, auch und schon gar nicht um religiöse Leistungen. Diesen Druck machen die Menschen sich schon selber.

 

Sr. Gratia: Spannend finde ich noch den Aspekt der Reinigung.

 

Die fruchtbaren Reben müssen gereinigt werden, sagt er. Das klingt ja nun nicht ganz so angenehm, und man kann sich alles Mögliche darunter vorstellen…

 

Johannes: Und was stellst du dir vor?

 

Sr. Gratia: Ehrlich gesagt, hat sich das lange für mich ein wenig mulmig angefühlt: Ich bin nicht okay, also muss Gott an mir arbeiten, damit ich „besser“ werde.
Aber vor kurzem ist mir da ein neuer Aspekt aufgeleuchtet: Vielleicht meint „Reinigung“ ja nicht (oder nicht nur) das Abwaschen von Sünden – sondern noch viel mehr das Heilen von Wunden?

 

Jede Wunde, die einem Lebewesen geschlagen wird, muss ja erst einmal gereinigt werden, ehe sie verbunden werden kann. Und wenn ich das auf die seelischen Wunden der Menschen anwenden, dann könnte das auch heißen, dass der göttliche Winzer die Reben an mir reinigt, die verletzt sind, die durch Lebenswunden und Lebenslügen belastet sind.

 


Johannes: Wenn du weiterliest, sagt Jesus, dass die Reinigung durch das Wort geschieht, das er zu uns sagt. Es ist sein heilsames Wort, das in uns bereinigen kann und will, was wir uns an eigenen Worten und Interpretationen zurechtgelegt haben…

 

Sr. Gratia: …eine Ermutigung, immer wieder hinzuhören auf Sein Wort: Was willst du mir jetzt, damit, sagen? Und immer wieder auch die Bibel in die Hand zu nehmen und offen zu sein für die Frohe Botschaft.

 

Johannes: Und je mehr du dann diese Reinigung durch das Wort erfährst, umso mehr wirst du leben können, was Jesus sich wünscht.

 

Sr. Gratia: Du meinst das „Bleiben“?

 

 

Johannes: Ja, genau! Das ist Jesu große Sehnsucht: Dass wir in ihm bleiben. Und das heißt ja auch, dass wir in der Liebe bleiben.

 

Sr. Gratia: Bleiben in ihm, das könnte heißen: In der Verbindung mit ihm bleiben durch das Gebet, durch das bewusste Leben des Alltags – immer wieder sozusagen mit einem Aufblick zu Jesus, durch das Angebundensein an eine Gemeinde, die Ihm nachfolgt…          Johannes: ...und auf so viele verschiedene Weisen, wie es Menschen gibt.

 

Sr. Gratia: An dieses „Bleiben“ ist eine wunderbare Verheißung geknüpft, finde ich! Jesus sagt ja: Getrennt von mir könnt ihr nichts tun. Das ist ja ganz klar, aber das heißt für mich noch zweierlei.

 

Johannes: Nämlich?

 

Sr. Gratia:  Das meint einerseits, dass ich getrennt von ihm nichts tun muss d.h., dass ich nie allein werkeln muss, sondern all meinen Einsatz im Reich Gottes mit ihm zusammen machen kann. Und d.h. andererseits doch auch – das ist jetzt ein bisschen frech, aber es kann nur so sein: Dass auch Er ohne mich nichts tun „kann“ – oder besser gesagt: Nichts tun will.

 

Johannes: Du hast Recht: Gott ist der Allmächtige, er braucht unser Mittun nicht, aber er will uns gebrauchen, er will mit uns

 

zusammen sein Heil wirken – und er beschränkt sich selber so, dass er quasi ohne uns nichts tun „kann“.

 

Sr. Gratia: Ich finde das wunderbar und auch anspornend, wirklich mit ihm zusammen mich einzusetzen.

 

Noch ein Wort von dir, Johannes, zum „Bleiben in der Liebe“? Johannes: „Gott ist die Liebe, und wer in der Liebe bleibt, bleibt in Gott, und Gott in Ihm.“ [3]

 

Sr. Gratia: Ein wunderschönes Schlusswort! Danke Johannes! Johannes: Gern! Euch allen ein gutes „Bleiben“ – und eine reiche Weinlese!

 

 

 

 

 

ChristImpulse“

 

für das Fruchtbringen und Bleiben

 

im Alltag

 

           

 

-Herzensgebet:        

 

Du in mir, ich in dir.

 

                       

 

-zwischendurch immer wieder einmal:   

 

Hinhören auf Sein reinigendes Wort…

 

           

 

 

-Tagesrückblick:     

 

War ich heute Ich?

 

War ich in Jesus?

 

Welche Frucht durfte ich heute bringen?

 

 

 

 

du bist

 

ich bin, weil du bist, gott

 

du bist, was ich bin

 

bist in dem, was ich bin

 

was ich denke und tue

 

ich bin dein bild

 

bin dein spiegel

 

du lebst dich in mir

 

deine liebe erfüllt meine augen

 

deine sanftheit liegt in meiner hand

 

deine kraft bewegt meine schritte

 

dein atem ist mein ein und aus

 

 

 

in mir bist du, gott

 

lebst dich,

 

tanzt dich

 

und drückst dich aus...

 

 

 

bist       weg und bewegung

 

drehung und klang

 

bist       leere und fülle

 

leben und tod

 

dunkel und licht

 

 

 

sei es in mir, gott

 

sei was du bist

 

 

 

annette schulze

 

 

 

 

[2]