Sr. Gratia: Hallo Johannes! 

Johannes: Grüß dich!

Sr. Gratia: Ich möchte gerne nochmal auf die „Ich - bin - Worte“ zurückkommen.

Johannes: Die  haben es dir angetan, stimmt‘s?

Sr. Gratia: Ja, das stimmt! Diese  Selbstaussagen Jesu berühren mich und machen mir immer wieder neu  bewusst, wer er ist.

Du überlieferst uns je nach Zählung sieben oder acht solche Worte. Und  über jede dieser Aussagen könnten wir ein eigenes  Gespräch führen….

Johannes: Welches davon magst du heute herausarbeiten?

Sr. Gratia: Das vom Licht. Jetzt, wo die Tage noch voller Sonne  sein können und doch unaufhaltsam kürzer  werden, kann es gut sein, sich Gedanken zu machen über Licht und Finsternis.

Damit beginnst du in deinem Evangelium ja auch schon sehr früh.

Johannes: Du denkst an den Prolog.

Sr. Gratia: Genau. Dort kommt schon das erste Mal das Licht ins Spiel.

Johannes: Das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet, kam in die Welt.“[1]

Sr. Gratia: Und die Finsternis hat es nicht  erfasst.“[2] Was wir in einem  doppelten Sinn verstehen können: Die Finsternis hat das Licht nicht verschlucken können. Weil das Licht einfach stärker ist als  die Finsternis.   Oder: Die Finsternis erfasst das Licht nicht – in dem Sinn, dass sie das Licht nicht verstehen, begreifen  kann.

Johannes: Licht und Finsternis sind Gegensätze, und doch kann das Licht die Finsternis vertreiben. So wie in einem Raum schon eine kleine Kerze genügt, um sich ein wenig orientieren zu können.

Sr. Gratia: Finsternis ist für uns Menschen etwas Bedrängendes. Kleine Kinder fürchten sich, allein in einem dunklen Raum zu schlafen. Aber auch für Erwachsene ist es beklemmend, allein an einem ganz finsteren Ort zu sein, in einer Höhle, einem Keller,…

Johannes: Christus, das Licht, wird also schon ganz früh angekündigt als der, der die Finsternis überwindet.

Sr. Gratia:  Wobei ich mir vorstellen, könnte, dass es für Jesus, der doch Gott – und bei Gott – war, bei seinem Eintritt in diese Welt so gewesen sein muss, als ob er aus der totalen Helle in ein fürchterliches Dunkel gekommen ist. Das Licht Gottes, aus dem er kam, übertrifft wohl alles, was wir Menschen uns als Licht vorstellen und ausmalen können.

Johannes: Und dann sagt er: „Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, wird nicht in der Finsternis umhergehen, sondern wird das Licht des Lebens haben.“[3]

Sr. Gratia:  Das ist eine großartige Zusage: Wenn ich Jesus nachfolgen, ist es so, dass ein großes Licht vor mir hergeht. Ich muss keine Angst haben, ich sehe und erkenne den Weg, ich kann Gefahren am Weg rechtzeitig wahrnehmen.

Und das erinnert mich jetzt auch an den Auszug der Israeliten aus Ägypten, wo die Feuersäule in der Nacht dem Volk voranzog und ihm den Weg wies.

Johannes: Das ist eine spannende Verbindung, die du da herstellst. Nochmals ein Hinweis auf die immerwährende und liebvolle Gegenwart Gottes.

Sr. Gratia: Jesus sagt ja auch, wer ihm als dem Licht das Lebens nachfolgt, wird das Licht des Lebens haben. Für die Israeliten war der Auszug aus Ägypten ja auch der Weg ins Leben, in ein neues, freies Leben ohne  Unterdrückung.

Johannes: Die einzige „Bedingung“, die Jesus hier stellt, um das Licht des Lebens zu haben, ist die, ihm  nachzufolgen.

Sr. Gratia: Jetzt könnte man lang darüber nachsinnen, was es bedeutet, Jesus nachzufolgen…

Johannes: …eine Frage, der sich wohl jede und jeder immer wieder neu stellen muss. Und auf die es keine allgemeine Antwort gibt, sondern die wird für jeden Menschen anders ausschauen.

Sr. Gratia: Das heißt, dass jede und jeder einen persönlichen Weg der Nachfolge Jesu suchen und finden muss - und dass dieser Weg nicht einfach immer gleich bleiben muss. Das Leben mit Jesus wird so bestimmt nicht langweilig.

Johannes: Und du hast die Zusage, dass du auf dem Weg mit Jesus nicht im Finsteren gehen musst.

Sr. Gratia: Mir kommt noch ein Wort Jesu in den Sinn, das dein Kollege Matthäus überliefert hat.[4] Dort sagt er nicht nur, dass er das Licht der Welt ist, sondern das auch wir Licht für die Welt sein sollen und können.

Johannes: Das ist eigentlich ganz klar: Wenn du im großen Licht Jesu gehst, fällt Licht auf dich – und du kannst das Licht weitergeben.

Sr. Gratia: Vielleicht so ein bisschen wie bei Sonne und Mond. So wie der Mond sein Licht von der Sonne bekommt,

so kommt unser Licht von Jesus.

Johannes: Und das soll es auch: Dein Licht soll leuchten – und nicht unter dem Scheffel verborgen werden.[5]

Sr. Gratia: Das Licht jedes Menschen darf und soll leuchten – für die anderen, damit es sie zu Jesus, zum Licht der Welt hinführt. Ich muss also auch keine Angst haben, wenn meine Gaben und Talente sichtbar werden für andere…

Johannes:  Nein, im Gegenteil! Es ist ja ein Teil der Finsternis, dass so viel Ungutes in der Welt ist,  - das ist es ja, was sie so dunkel und finster macht.

Sr. Gratia: Das heißt, Finsternis ist auch ein Bild für das Dunkle in uns Menschen, für die „Absonderung“ von Gott – die wir durch unser Licht, durch das Leuchten - lassen unserer Talente, die uns von Gott geschenkt sind, überwinden können.

Johannes: Genau. Darum: Leuchtet!

 



[1] Joh 1,9

[2] Joh 1,5

[3] Joh 8,12

[4] Mt 5,14

[5] Mt 5,15